Das Landessozialgericht Hamburg befasste sich in seinem aktuellen Urteil vom 24.09.2020 mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch und seiner Rechtsfolge.
Die Klägerin ist ausländische Staatsangehörige und lebt in Deutschland von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII (diese erhält sie von der Beigeladenen). Sie ist selbst kein Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung, die Kosten für Krankenbehandlungen werden jedoch im gesetzlich bestimmten Umfang von der Beklagten übernommen; diese lässt sich diese Kosten wiederum von der Beigeladenen erstatten. Die Klägerin hat von der Beklagten eine Krankenkassenkarte erhalten, auf welcher sich bis auf Namen und Kartennummer keine Identifikationsmerkmale befinden. Diese ist zwar auf der Rückseite mit den Worten „Europäische Krankenversicherungskarte“ versehen, das der Karte beiliegende Begleitschreiben weist jedoch darauf hin, dass diese Worte für sie nicht gelten würden.
Im Jahre 2015 wurde die Klägerin im Rahmen eines Familienbesuchs in einer Klinik in der Schweiz behandelt – die Rechnung leitete sie an die Beklagte weiter. Diese lehnte die Kostenübernahme mit Verweis auf § 264 SGB V ab.
Die Klägerin erhob zunächst Klage vor dem Sozialgericht Hamburg. Hier trug sie vor, dass sie vor der Reise ins Ausland eine Auslandsversicherung habe abschließen wollen, man ihr jedoch mitgeteilt habe, dass ihre Krankenversicherung auch in der Schweiz gültig sei und man diese Information der Rückseite der Krankenkassenkarte entnehmen könne.
Das Sozialgericht sah die Klage als zulässig und begründet an und verurteilte die Beklagte zur Freistellung der Klägerin von den streitigen Behandlungskosten. Grundlage dessen sei der sozialrechtliche Herstellungsanspruch. Hiernach könne der Betroffene vom Leistungsträger verlangen, so gestellt zu werden, wie es bei fehlerfreier Beratung der Fall gewesen wäre. Dies bedeute hier, dass die Beklagte der Klägerin den Schaden zu ersetzen habe, der ihr daraus entstand, dass die Klägerin nicht eindeutig auf den begrenzten Anwendungsbereich des Versicherungsschutzes hingewiesen wurde.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Das für die Berufung zuständige Landessozialgericht Hamburg sah diese als zulässig und begründet an, da die Freihaltung von den Behandlungskosten keine Rechtsfolge sei, die das Sozialrecht bei gedachtem rechtmäßigem Verhalten vorsehen würde. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch sei lediglich auf Naturalrestitution gerichtet, nicht hingegen auf Schadensersatz im Sinne einer Kompensationsleistung in Geld. Das Begehren der Klägerin sei nicht auf eine Naturalrestitution gerichtet, da das SGB V gar keinen Auslandsversicherungsschutz über § 264 SGB XII vorsehen würde. In Betracht käme hier damit nur ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, einzuklagen vor den Zivilgerichten.