Die Klägerin, eine Krankenkasse, hatte von 2009 bis 2015 insgesamt 77 Aufwandspauschalen für Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit an die Beklagte, Trägerin eines Krankenhauses, gezahlt. Diese Zahlungen forderte die Klägerin aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts vom 1.7.2014 (BSG, Urteil vom 1.7.2014, Az.: B 1 KR 29/13 R) zurück. Hier hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass § 275 Abs. 1 und Abs. 1c SGB V in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung keinen Anspruch auf Zahlung von Aufwandspauschalen für sachlich-rechnerische Prüfungen begründen. Diese Auslegung, auch mit ihrer Wirkung für die Vergangenheit, wurde wiederum vom BVerfG bestätigt (BVerfG, Urteil vom 26.11.2018, Az.: 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17).
Die Beklagte rügte die Verletzung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgrundsatzes (Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG), des § 242 BGB iVm § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V sowie des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V. Die geänderte Rechtsprechung des BSG sei nicht auf abgeschlossene Aufwandspauschalenfälle anwendbar. Zudem sei eine Geltendmachung des Erstattungsanspruchs treuwidrig, da die Beklagte auf die bis dahin bestehende Rechtsprechung, welche so auch von den Krankenkassen angewandt wurde, habe vertrauen dürfen und auch keine Rücklagen für etwaige Erstattungsansprüche gebildet habe.
Das Bundessozialgericht sieht in seinem Urteil vom 16.7.2020 eine differenzierte Lösung vor: Der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen von vor dem 1.1.2015 gezahlten Aufwandspauschalen stehe der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Danach erfolgte Zahlungen von Aufwandspauschalen für sachlich-rechnerische Prüfungen könnten jedoch zurückgefordert werden - hier stehe dem Anspruch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.
Nach Ansicht des Gerichts ist der Schutz des Vertrauens von Krankenkassen und Krankenhäusern umso stärker, „je länger und einvernehmlicher die Verfahrensweisen praktiziert werden, je bedeutsamer sie sind, und wenn sie zugleich bereits über längere Zeit eine höchstrichterliche Billigung erfahren haben“. Bis zum 1.7.2014 hatte das Bundessozialgericht nicht zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung unterschieden; auch die Krankenkassen hatten bis zu diesem Zeitpunkt eine solche Differenzierung nicht vorgenommen. Auch nach Verkündung dieses Urteils sei ein schutzwürdiges Vertrauen noch bis zum 31.12.2014 anzunehmen. Ab dem 1.1.2015 sei jedoch von den Krankenhäusern zu erwarten gewesen, dass sie Rücklagen bilden, sollte es zu Erstattungsforderungen kommen.
Dem Erstattungsanspruch der Krankenkassen für ab dem 1.1.2015 zu Unrecht gezahlte Aufwandspauschalen stünde auch nicht § 814 BGB entgegen. Hiernach müsste die klagende Krankenkasse positive Kenntnis von der Nichtschuld gehabt haben; dies sei wiederum jedoch erst ab dem 25.10.2016 anzunehmen. An diesem Tag erging ein Urteil des Bundessozialgerichts, welches die bis dahin noch nicht eindeutige Abgrenzung zwischen der Auffälligkeitsprüfung und der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung konkretisierte (BSG, Urteil vom 25.10.2016, Az.: B 1 KR 22/16 R).