Das Sozialgericht Leipzig hatte sich in seinem aktuellen Urteil vom 20.05.2020 mit der Frage beschäftigt, ob dem 40-jährigen Kläger ein Anspruch gegen seine Krankenkasse auf die Versorgung mit einem elektrischen Rollstuhlzuggerät mit Hilfskurbel, ein sogenanntes Handbike, zusteht.
Der Kläger ist seit dem Jahr 2010 querschnittsgelähmt und rollstuhlpflichtig. Aktuell ist er durch die Beklagte mit einem Aktivrollstuhl, einem Sportrollstuhl, sowie für die häusliche Fortbewegung mit einem Motomed-Bewegungstrainer und einem Stehpult versorgt.
Im September 2015 beantragte der Kläger bei seiner Krankenkasse die Versorgung mit einem „dynagil AP“ Gerät als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Das entsprechende Gerät unterstützt das Kurbeln vorwärts mit einer Geschwindigkeit von 25 km/h und bietet dem behinderten Menschen mehr Möglichkeiten hinsichtlich Fahrspaß, Komfort und Fortbewegung. Zur Begründung führte der Kläger an, dass sein Aktivrollstuhl für weitere Strecken nicht ausreiche, so dass er auf sein Auto angewiesen sei. Der Aktivrollstuhl wird von ihm für den Nahbereich genutzt, allerdings sei dieser jedoch zu langsam. Das Handbike würde ihm Fahrradausflüge und andere Freizeitaktivitäten wie Grillabende mit Familie und Freunden ermöglichen.
Die Krankenkasse lehnte den entsprechenden Antrag mit der Begründung ab, dass der Nahbereich mit dem Aktivrollstuhl ausreichend versorgt sei. Eine gesetzliche Krankenversicherung würde im Rahmen der medizinischen Rehabilitation nur eine zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung, nicht aber eine Optimalversorgung gewährleisten.
Dagegen erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Leipzig und trug vor, dass die Beklagte nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass er infolge der ständigen Nutzung des Aktivrollstuhls unter Schulterschmerzen leide und sich durch die Nutzung eines Handbikes auch ein Therapieeffekt einstelle, der andere Behandlungen wie Physiotherapie ersetzten oder zumindest reduzieren könnte. Zudem wäre auch nicht geprüft worden, ob ein Anspruch über die Eingliederungshilfe besteht, da er aufgrund der Schwere der Behinderung daran gehindert sei, angemessen am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben.Gegen die Entscheidung des Sozialgerichts wurde vom Kläger erfolgreich Berufung eingelegt. Die Klage wurde zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Versorgung mit einem Handbike aus dem Recht der Eingliederungshilfe. Dazu gehören auch gem. § 102 Abs. 1 Nr. 4 SGB die Leistungen zur sozialen Teilhabe, für die ein individueller und personenzentrierter Maßstab gilt. Sinn und Zweck der Eingliederung ist es behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, indem ihre Einschränkungen gemildert oder beseitigt werden. Mit dem Nutzen eines Handbikes kann dem Wunsch des Klägers, eine über den sozialen Nahbereich hinaus weiterreichende Mobilität ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, genüge getan werden, da er sich so schneller und einfacher fortbewegen könne. Dies stellt ein nachvollziehbares wie angemessenes Teilhabebedürfnis dar. Durch das Nutzen eines Handbikes erweitere sich bei dem Kläger die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.